Die Burg Hohnstein – Jugendburg, Frühes KZ, Kriegsgefangenenlager

Die Burg Hohnstein hatte lange Zeit als Gefängnis, Männerkorrektionsanstalt und Jugendstrafanstalt gedient. Diese Nutzung hatte ein Ende, als im Jahr 1924 der Sächsische Landtag beschloss, die Burg dem Reichsverband für Deutsche Jugendherbergen zu übergeben. Für das Amt des Burgwarts wurde Konrad Hahnewald ausgewählt, Sekretär der Sozialistischen Arbeiterjugend Ostsachsens. Mit Unterstützung von Jugendlichen, (Jugend-)Verbänden, Gemeinden und Gewerkschaften und ohne staatliche Förderung wurde das ehemalige Gefängnis zur Jugendburg umgebaut. Am 24. und 25. April 1926 fand die feierliche Einweihung einer der größten deutschen Jugendherbergen mit über 800 Betten statt. Auch die damals noch „Hartensteiner Puppenspiele“ fanden auf Einladung von Konrad Hahnewald ein neues Zuhause auf der Jugendburg und wurden als „Hohnsteiner Puppenspiele“ berühmt. Reisegruppen aus Europa, Afrika, Asien und Amerika waren zu Gast. Im Juli 1930 hielt der Philosoph und Nobelpreisträger Rabindranath Tagore auf der Burg eine Ansprache an die Jugend und warnte vor der Gefahr eines Krieges. Die Jugendburg und ihr sozialdemokratischer Leiter wurden regelmäßig zum Angriffsziel rechter Presse und Propaganda.
Besetzung der Jugendburg 1933
Am 8. März 1933 besetzte die SA die Burg und richtet ein sogenanntes „Schutzhaftlager“ ein. Auch der Herbergsleiter Konrad Hahnewald wurde verhaftet. Er hatte der SA die Aufnahme auf der Burg verwehrt und sich geweigert, die Hakenkreuzfahne zu hissen. Ab Mitte März 1933 trafen die ersten Häftlingstransporte aus Dresden, Freital, Pirna und Sebnitz ein. Erniedrigungen und Schläge erfuhren die Häftlinge schon gleich nach ihrer Ankunft. Sie wurden bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt und gefoltert, in den „Hungerbunker“ gesperrt oder mussten im Burggarten strafexerzieren. Einige Häftlinge wurden mit einem Tropfgerät gefoltert, welches durch stundenlang heruntertropfendes Salzwasser psychische und physische Schäden hervorrief.
In der Zeit zwischen März 1933 und August 1934 waren nach jetzigem Wissensstand etwa 5600 Menschen inhaftiert. Darunter befanden sich über 100 Frauen sowie ca. 400 Kinder und Jugendliche.
Zwangsarbeit
Die Häftlinge wurden zur Arbeit in der Burg und deren Umgebung gezwungen. So verrichteten sie Handwerks- und Bauarbeiten im Burggelände, arbeiteten in der Küche und der Waschküche und reinigten die Zimmer der Wachmannschaften. Die Wohnungseinrichtung des Lagerkommandanten, Rudolf Jähnichen aus Pirna, wurde von den Häftlingen gebaut. Außerhalb der Burg mussten sie Straßenarbeiten verrichten (z. B. beim Bau der Hohnsteiner Serpentine, Wartenbergstraße) und im Steinbruch an der Heeselichtmühle schuften.
Sie arbeiteten unter anderem auch im Hohnsteiner Rathaus, auf dem Friedhof, bauten am Schwimmbad Rathewalde und am Sportplatz in Hohnstein. Sie errichteten einen Schießstand in Hohnstein und mussten in der Stadt an zwei Orten zu Ehren von Adolf Hitler einen Platz anlegen, eine Eiche pflanzen sowie einen Gedenkstein errichten. Während dieser Arbeiten wurden sie regelmäßig von den sie bewachenden SA-Männern misshandelt. Die Bewachung der Häftlinge übernahm die Pirnaer SA-Standarte 177, welche von der Dresdner SA-Standarte 100 unterstützt wurde.
Widerstand
Gegen die menschenunwürdigen Bedingungen formierte sich Widerstand im Lager. Mitglieder der KPD und der SPD bildeten eine illegale Lagerleitung, den sogenannten „Siebenerkopf“. Sie organisierten die Verteilung von Lebensmitteln und versuchten, Inhaftierte zu schützen. Außerdem entwickelten sie Fluchtpläne und fälschten Anwesenheitslisten.
Mit Hilfe von außen, vor allem durch die verbotene VKA (Vereinigte Kletterabteilung, später bekannt als „Rote Bergsteiger“), drangen Informationen über das Konzentrationslager in die Öffentlichkeit – durch schriftliche Nachrichten in sogenannten toten Briefkästen, und durch mündliche Überlieferung bei Besuchen im KZ. Zudem gelang am 28. April 1934 (die Angaben zu diesem Datum differieren jedoch in den Erinnerungen unterschiedlicher Häftlinge) Anton Jäger und Alfred Zeisler die Flucht. In der Folge sollen sie im Prager Rundfunk über die Bedingungen im KZ Hohnstein gesprochen haben.
Auflösung des Lagers
Ab 30. Juni 1934 löste das SS-Sonderkommando Sachsen die SA-Einheiten ab. Die offizielle Auflösung des Lagers im August 1934 dauerte noch bis zum Herbst an. Viele Häftlinge wurden ins KZ Sachsenburg überstellt. Ab April 1935 wurde die Burg als Schulungsstätte der Hitlerjugend genutzt. Ab 1939 diente sie als Kriegsgefangenenlager (Oflag IV A) für ca. 800 polnische und französische Offiziere. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion war es das Kriegsgefangenen-Stammlager IV A für Gefangene aus zwölf verschiedenen Ländern, welche in Landwirtschaft und Industrie Zwangsarbeit leisten mussten. Im Mai 1945 wurden die Menschen befreit.
Morde und Todesfälle
Es sind mehrere Morde an Häftlingen durch das Wachpersonal dokumentiert, unter anderem an dem Gewerkschafter Emerich Ambros und dem früheren sächsischen Innenminister Hermann Liebmann (SPD). Die vorherrschenden Bedingungen und die menschenunwürdige Behandlung trieb einige Häftlinge aus Verzweiflung in den Freitod, entweder sprangen sie aus dem Fenster oder stürzten sich über die Burgmauer 80 Meter in die Tiefe. Andere begingen nach Haftentlassung Suizid oder starben an den Folgen der Haftbedingungen.
Eine genaue Angabe von Zahl und Umständen aller Todesfälle ist nicht möglich, in älterer Literatur wird von über 100 Todesopfern ausgegangen.
Juristische Aufarbeitung
Nach der Auflösung des Lagers berichtete ein ehemaliger Häftling dem stellvertretenden Chef der Dresdner Gestapo über die Misshandlungen. Dieser ließ daraufhin die gesamte SA-Wachmannschaft festnehmen und leitete Ermittlungen ein. Im Frühjahr 1935 wurde am Landgericht Dresden gegen den Lagerleiter SA-Obersturmbannführer Rudolf Jähnichen und 23 weitere Angehörige der Wachmannschaft prozessiert. Adolf Hitler begnadigte, nach Intervention von Sachsens Gauleiter Martin Mutschmann, Ende 1935 alle Verurteilten dieses Hohnstein-Prozesses.
Nach Kriegsende fanden drei öffentlichkeitswirksam angelegte Prozesse in Dresden, Pirna und Freital gegen Angehörige der Wachmannschaft statt. Im ersten Hohnstein-Prozess (Mai/Juni 1949) standen in der Stadthalle am Nordplatz in Dresden 23 Angeklagte von Dresdner SA-Stürmen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht. Die verhängten Haftstrafen beliefen sich auf 1 Jahr bis 20 Jahre. Der zweite Prozess fand im Juli 1949 im Volkshaus Pirna statt. In ihm hatten sich 31 Angehörige der SA-Standarte 177 aus dem Kreis Pirna zu verantworten, von denen 30 zu Haftstrafen zwischen einem Jahr und lebenslänglich verurteilt wurden. Einer wurde freigesprochen. Im dritten Hohnstein-Prozess in Freital im November 1949 verurteilte das Gericht einen Angeklagten zu lebenslangem, die Übrigen zu vier bis 15 Jahren Zuchthaus bzw. zu Gefängnisstrafen zwischen einem und zwei Jahren. Einige der Verurteilten wurden vom MfS angeworben und bereits Mitte der 1950er Jahre wieder entlassen. 1996 wurden zwei Verurteilte vom Landgericht Dresden rehabilitiert.
Der Lagerleiter Rudolf Jähnichen und sein Stellvertreter (bis 15.4.1934) Kurt Friedrich standen nie vor Gericht. Sie hatten sich in andere Besatzungszonen abgesetzt, Auslieferungsanträgen wurde nicht entsprochen. Der stellvertretende Lagerleiter ab April 1934, SA-Sturmführer Ernst Heinicker, wurde in den Waldheimer Schauprozessen zum Tode verurteilt und am 4. November 1950 in Waldheim hingerichtet.
Quellen:
- Hackel, Franz: Von der Jugendburg Hohnstein zum „Schutzhaftlager Hohnstein“. Berlin 1949
- SED Kreis Sebnitz: Hohnstein. Jugendburg Ernst Thälmann. Dresden 1974
- Monika Zorn (Hg.): Hitlers zweimal getötete Opfer. Westdeutsche Endlösung des Antifaschismus auf dem Gebiet der DDR, Freiburg (Breisgau) 1994
- VVN-BdA Kreisverband Sächsische Schweiz (Hrsg.): Unsere Heimat unterm Hakenkreuz. Pirna 2003
- Baganz, Carina: Erziehung zur „Volksgemeinschaft“? Berlin 2005
- Jensch, Hugo: Die Entnazifizierung in Stadt und Kreis Pirna 1945-1949. Pirna 2006
- „Milde gegen die Verbrecher wäre Verbrechen gegen die Opfer.“ Die Hohnstein-Prozesse 1949, in: Jörg Osterloh/Clemens Vollnhals (Hrsg.), NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit. Besatzungszeit, frühe Bundesrepublik und DDR, Göttingen 2011
- Gallus, Johannes: „Der Anblick, der sich mir dabei bot, ist ewig in mein Gedächtnis eingegraben.“ Das frühe Konzentrationslager Hohnstein in Sachsen, in: Lindemann/Schmeitzner (Hrsg.): … da schlagen wir zu. Politische Gewalt in Sachsen 1930-1935. Göttingen 2020
